„Tertium dubitandi genus est, cum pugnare videtur cum honesto id, quod videtur esse utile.“ (Cicero: De officiis I.9) [dt.: „Die dritte Art der Unschlüssigkeit liegt vor, wenn das in scheinbarem Widerspruch mit dem Ehrhaften steht, was nützlich zu sein scheint.“ (nach Heinz Gunermann)] Dieser Ausspruch Ciceros trifft wohl Schäubles Dilemma mit der SünderCD recht gut. Denn was soll er bitte tun? Ihm wird für 2,5 Millionen Euro eine CD angeboten, die dem Bund geschätzte 100 Millionen einspielen könnte, welche er dringend braucht. Man könnte sie z.B. in die Bildung investieren... Ach schade, die ist ja Ländersache... Wirtschaftsmathematisch ist diese Rechnung ein Kinderspiel. Aber der Preis für die CD lässt sich in Zahlen leider nicht genau berechnen – nicht einmal durch die nächste Wahl. Denn was hier auf dem Spiel steht ist deutlich mehr: Die Rechtschaffenheit und Glaubwürdigkeit der Regierung der Bundesrepublik Deutschland.
Bis jetzt gilt ja der Grundsatz: „Keine [offenen] Geschäfte mit Kriminellen.“ Und die Entstehung der CD scheint ja nicht besonders sauber zu sein. Andererseits verhöhnt er, kauft er die CD nicht, den braven Steuerzahler. Denn: wenn Steuersünder davonkommen, obwohl offensichtlich Beweise bestehen, sorgt das nicht dafür, dass ich mit Freuden höhere Steuern zahle als ich wohl müsste.
Aus diesem Grund sind auch die Politiker ziemlich uneins: Die FDP streitet sich untereinander – wen wundert’s bei einem solchen Thema und einer Partei, die aus Juristen und Wirtschaftlern besteht. Die CDU sagt (eher) „Nein“. Die Grünen und die SPD sagen, man solle sie auf jeden Fall kaufen und werfen Schäuble vor, er würde lediglich seine Wählerklientel schützen wollen (um es nett zu formulieren). Und die Linke schweigt dazu. Was? Die Linke schweigt? Die Partei, die sich durch laute Forderungen hervortut schweigt bei einem Thema, das klischeehaft gegen ihr liebstes Feindbild geht? Ein Schelm ist, wer Böses dabei denkt. Und was sagen eigentlich die Piraten dazu? Schließlich geht es hier doch auch um Datenhandel und Transparenz? Oder doch um Überwachung?
Für die Opposition ist es jedenfalls toll, wenn sich die Regierung die Finger schmutzig macht. Dann kann man sie wenigstens danach leichter absägen: „Ja natürlich haben wir gefordert, dass die CD gekauft werden solle, aber doch nicht auf diese illegale Weise...“ Sie kann ihre Stellung ja auch begründen. Nämlich damit, dass der BND 2008 ja schon mal so eine CD gekauft habe, was ja viel Gebracht habe. Unter anderem einen Nachahmer. Gut: Das war damals aber auch der Nachrichtendienst. Der ist schon eher dazu geeignet in der Grauzone zu agieren, als eine Bundesregierung. Auch wenn dieses agieren gefährlich ist: denn wo hört die Grauzone auf und wo beginnt die Willkür?
Soll Schäuble sie nun kaufen oder nicht? Ich halte es für mehr als fragwürdig ein Verbrechen durch ein anderes Verbrechen zu bekämpfen. Da sind wir sehr schnell bei der Rechtfertigung, dass alles einem größeren Nutzen diene. Andererseits gehen mir die Steuersünder auf die Nerven, die dafür Sorge tragen, dass dem Staat Geld entzogen wird, aber auf der Fahrt in die Schweiz meckern, dass die Infrastruktur schlecht sei und der Staat Schulden mache. Auch wenn ich mich zu keiner klaren Antwort durchringen kann, glaube ich, dass Herr Schäuble deutlich besser damit beraten wäre die CD nicht zu kaufen und auf legalem Wege nach Steuersündern zu fahnden, wie es auch sonst gemacht wurde.
In diesem Sinne: Steuern zahlen lohnt sich...
Der Michel