Donnerstag, 28. Januar 2010

Der Trend und die Katastrophe

Haiti liegt in Trümmern und man möchte helfen. Ich habe mir lange überlegt, welcher Organisation ich wie viel für Haiti spende. Und da ist mir das Projekt „Hope for Haiti Now“ ins Auge gefallen. Künstler, wie Jay-Z, Shakira, Neil Young, Alicia Keys, Stevie Wonder, (natürlich) Bono und viele andere, geben ein Benefizkonzert und bringen danach eine CD (6,99 €) mit den Livemitschnitten raus, deren Erlös dann wieder nach Haiti geht. Klasse Idee: Da hat dann jeder was von. Die Künstler ein bisschen Ruhm, der Spendende eine CD mit guten Liedern von oft großen Künstlern und Haiti jede Menge Geld. Die Sache wird auch noch dadurch durchsichtig, dass man nachlesen kann, was aus dem Erlös wohin geht. WOW. Ich hatte also meinen Spendenweg gefunden.

Dann habe ich mir die CD angehört. War ich wirklich so naiv? Das die Künstler die Lieder nicht geweint haben, bleibt ein Wunder. Man kann sich dazu die Bilder des Zerstörten Haiti, der Leichen und der weinenden Kinder als Hintergrundbemalung der Show nur zu gut vorstellen. Und irgendwie nehme ich so manchem der vertretenen Künstler nach dem überzogenen Kitsch ihre herzliche und reine Anteilnahme nicht mehr ab. Beyoncé: „Haiti, I can see your Halo“ <- war das nicht mal ein Liebeslied mit einer Aussage?

Plötzlich fühlte ich mich so an die Beerdigung von Michael Jackson erinnert. Genauer gesagt an die Szene, der man ja nicht entgehen konnte, in der seine Tochter in die Kamera weint und noch mal sagt, dass sie ihn liebt. Kein Zweifel: das war echt. Aber es zeigt das Geschäft mit der Katastrophe. Der Tod des Vaters ist eine persönliche Katastrophe – Haiti eine Naturkatastrophe. Beides ist für die Betroffenen furchtbar. Die Betroffenen brauchen in beiden Fällen Hilfe – keine Frage. Doch schon sind die Medien da und bauschen es noch mehr auf. Sorgen dafür, dass wir uns im Leid anderer suhlen können und wir das Gefühl bekommen, persönlich betroffen zu sein. Plötzlich waren Alle zeit ihres Lebens Michel Jackson Fans. Plötzlich lieben Alle das kleine Land Haiti, das vorher völlig an ihnen vorbeiging. Plötzlich wird allen ein schlechtes Gewissen gemacht, wenn sie nicht betroffen sind und spenden wollen oder sich engagieren. Und das Leid der restlichen Welt gerät in Vergessenheit.

Versteht mich nicht falsch: Ich halte es für wichtig, dass geholfen wird und die Medien auf Katastrophen und auf Leid aufmerksam machen. Und als Mensch und Christ sollte man Nächstenliebe, Solidarität und tätige Hilfsbereitschaft ernst nehmen. Aber das heißt nicht, dass man sich am Leid anderer ergötzen muss. Es ist ein schmaler Grad, den die Medien gehen sollten zwischen emotionsloser Information und wachrütteln und empfänglich machen für das Leid. Ich habe das Gefühl, dass manchen Medien nichts daran liegt auf diesem Weg zu bleiben

In diesem Sinne: Haltet die Augen offen!

Der Michel

Dienstag, 5. Januar 2010

Eine Frage der Glaubwürdigkeit

Es ist so weit. Die Nacktscanner heißen nicht mehr Nacktscanner, sondern Körperscanner. Das klingt nicht so hart und privat. Das klingt anonymer und irgendwie seriöser – also vertrauenswürdiger. Das klingt so, als könne man so etwas jetzt eher über sich ergehen lassen, ohne dass einem die Schamesröte ins Gesicht steigt. So dachten dann wohl auch die Verantwortlichen vom Flughafen Schiphol (Amsterdam), weshalb sie gleich mal 60 Stück orderten.

Verwunderlich ist das nicht. Amerika hatte ja den Wunsch geäußert, dass man solche Was-auch-immer-Scanner an europäischen Flughäfen aufstellen solle. Außerdem startete die Maschine nach Detroit, in welcher auch der Attentäter saß, eben von diesem Flughafen. Ein Schelm ist, wer dabei Zusammenhänge sieht.

Die Verantwortlichen versuchen natürlich jetzt ihre Kunden / Gäste zu beschwichtigen, denen jetzt ein starker Eingriff in ihre Intimsphäre blüht: Der Scanner zeige den Menschen jetzt nicht mehr nackt, sondern nur noch schemenhaft. Aber laut www.Zeit.de wahren auch diese Geräte nicht die Intimsphäre.

Aber jetzt mal ehrlich: Ich frage mich, warum der „Körperscanner“ in einer so exhibitionistischen Gesellschaft wie der unseren auf so große Gegenwehr stößt. Auf Twitter kann ich lesen, ob jemandem sein letzter One-Night-Stand gefallen hat und auf Youporn kann ich mir davon sogar ein Bild machen. Und wer hierfür „zu prüde“ ist, der muss mindestens ein Foto auf Facebook oder Studivz, etc. haben, auf dem er/sie möglichst leicht bekleidet oder möglichst besoffen und am besten beides ist. Auf „Big Brother“ und „Frauentausch“ möchte ich erst gar nicht zu sprechen kommen. Fakt ist, dass wir immer mehr unsere privatesten Bereiche vermarkten und an die Öffentlichkeit zerren. Aber der „Nacktscanner“ geht dann wohl zu weit?

Natürlich tut er das! Denn der große Unterschied ist, dass ich all das aus freien Stücken mache. Ich entscheide, ob ich ein Bild von mir ins Internet stelle, auf dem ich mir gerade noch einmal durch den Kopf gehen lassen, was ich auf der Party so zu mir genommen habe. Aber die Frage ist: bleibt meine Beschwerde über eine Maschine, die mich einer Person nackt zeigt, die an diesem Tag schon tausende auf die gleiche Weise gesehen hat, glaubwürdig, wenn ich mich selbst milliarden von Menschen freiwillig auf intimste Weise präsentiere?

In diesem Sinne: seht zu, dass ihr gut ausseht ;)

Der Michel