Mittwoch, 8. Dezember 2010

Der erste(?) Cyberkrieg

„Fast ein Jahrhundert nach dem Ersten Weltkrieg läuft der erste cyberWeltkrieg. Die Nationalstaaten gegen die Freiheit.[1]

Julian Assange ist verhaftet, die Vergewaltigungsvorwürfe wirken wie aus einer schlechten Verschwörungstheorie und Amerika hat angeblich einen Auslieferungsantrag gestellt. Aber, dass man gleich den ersten „cyberWeltkrieg“ ausrufen muss? Viele sehen wohl Wikileaks als Repräsentant des freien Internets und der freien Meinungsäußerung? Klar: Auf Wikileaks kann ich Geheimunterlagen und brisantes Material veröffentlichen und einsehen. Dinge, welche die Regierung gerne vertuschen möchte, haben dort ihre Plattform. Und Wikilieaks hat durchaus Dinge veröffentlicht, bei denen ein großer öffentlicher Druck wichtig und hilfreich war.

Aber wie ihr wisst, stehe ich auf krasse Vergleiche. Denn: Wenn ich das Recht postuliere, nicht um sonst als „vertraulich“ eingestufte Dokumente ohne weiteres veröffentlichen zu dürfen, postuliere ich damit nicht auch, dass es voll und ganz OK ist, das Amateurvideo mit der Ex, welches ich ja immerhin selbst gedreht habe, zu veröffentlichen? Oder zu twittern, worüber sich mein bester Freund eben bei mir ausgeheult hat? Sowohl bei Wikileaks, als auch bei dem Amateurvideo kann für die andere Seite enormer Schaden entstehen. Und mein bester Freund wird mich zu Recht für einen Verräter halten, da er ja davon ausgegangen ist, dass das, was er bei mir loswerden wollte, unter uns bleibt. Darin stimmen wir doch hoffentlich überein, oder?

Aber gut: Wikileaks spielt auf einer ganz anderen Ebene und wenn Unrecht geschehen ist, sollte es auch geahndet werden. Die Frage ist nur wie es veröffentlicht wird und ob es auch Unrecht war. Dass jede Regierung über jeden Politiker, der für dieses Land interessant ist ein Dossier führt, ist doch wohl allen bekannt. Der Film „Der Anschlag“ dreht sich größtenteils um eine solche Abteilung. Nur gestattet mir die Frage: Muss die Meinung, die ich über meine Kollegen oder meinen Chef habe, wirklich jeder wissen? Entsteht da nicht ein enormer diplomatischer Supergau? Und fallen solche Unterlagen unter „unethisches Verhalten einer Regierung“? Über die zweifelhafte Beschaffung gab es eigene Dokumente, die alleine auch gereicht hätten. Wem solche Unterlagen in die Hände fallen, sollte meiner Meinung nach damit verantwortungsbewusst umgehen. Und eine Veröffentlichung ist nicht automatisch verantwortungsbewusst. Denn zum Beispiel Israel hat bestimmt irgendwo Pläne für einen zweiten „Sechstagekrieg“ gegen den Libanon. Oder die USA besitzt bestimmt Pläne für einen taktischen Erstschlag gegen Nordkorea. Werden diese Dokumente aber veröffentlich, provozieren wir einen Krieg, auch wenn diese Pläne von selbst eventuell nie in die Tat umgesetzt worden wären.[2]

Anders ist es noch bei Dokumenten über Folter gegen Kriegsgefangene oder in Guantanamo Bay. Hier liegt offensichtlich Folter vor. Aber ist es wirklich klug, etwas in die Welt herauszuschreien, was für die Gegner der eigenen Soldaten ein gefundenes Fressen darstellt? Ist vielleicht gerade der, der im Krieg meinen Freund bei der Army tötet, durch diese, meine Veröffentlichung dazu bewegt worden am Krieg teilzunehmen? Gut... das ist jetzt etwas pathetisch, das gebe ich zu, aber von der Hand zuweisen ist es genauso wenig, wie die Tatsache, dass gegen unethisches Verhalten vorgegangen werden muss und Folter absolut verachtenswert ist – zumal in einem Land, welches „die Zivilisation in die Welt tragen will.“ Aber gibt es da nicht bessere Lösungen? Kann ich den Stoff nicht einem Kriegsgegner im Kongress, Bundestag, etc. anvertrauen, der das vielleicht in einer geschlossenen Sitzung auf die Tagesordnung bringt? Oder an die UN weiterleiten? Muss ich es als ersten Schritt veröffentlichen, auch wenn ich Gefahr laufe, ein Strohfeuer zu entzünden, in dem mein eigentliches Anliegen untergeht?

Natürlich: Manche Verhaltensweisen dürfen nicht hingenommen werden und Folter gehört dazu. Jedoch muss ich mir die Frage stellen, ob so manches Wissen nicht auch eine enorme Verantwortung mit sich bringt und ob ich bereit bin, die Konsequenzen meines Handelns abzuschätzen und diese zu tragen. Wir leben in Freiheit und wir sind frei in unserer Meinung und unserer Rede und das soll auch so bleiben. Aber Freiheit heißt nicht Beliebigkeit, sondern Verantwortung für mich selbst und für andere. Das spricht genauso für Wikileaks, wie gegen eine unreflektierte Veröffentlichung.


In diesem Sinne: Denkt nach, bevor ihr handelt...

Der Michel


[1] Tweet von „Pirat_Aleks_A“ am 7.12.2010

[2] Die Frage, ob die Existenz dieser Pläne Unrecht oder unethisches Verhalten darstellt, ist diskussionswürdig, sprengt aber den Rahmen.

Montag, 26. Juli 2010

Auf in den Kampf, Männer!

Es ist bereits ein paar Tage her, dass ich diesen Artikel in der „WELT KOMPAKT“ gelesen habe, aber aus dem Kopf geht er mir nicht. Ich habe ihn sogar extra aufgehoben. In diesem Artikel berichtet Laura Gehrmann darüber, wie sich Dr. Eugen Maus über einen Mangel an Gleichberechtigung beklagt. Interessant daran ist, dass er und sein Verein „MANNdat“[1] davon sprechen, dass die Männer mittlerweile den Kürzeren ziehen. Und genau das sehe ich genauso:

Dr. Maus spricht von „Ungerechtigkeiten der einseitig an Fraueninteressen orientierten Geschlechtspolitik“ und von der Tatsache, dass Frauen von öffentlicher Seite viel stärker gefördert werden würden, als Männer (Frauenhäuser, Frauenvereine, Frauenparkplätze, Frauensaunatage[2], etc.). Es gibt auch Männer, die nicht in eine öffentliche Sauna gehen, weil sie sich nicht nackt vor Frauen zeigen wollen. Darüber, dass Tiefgaragen für Frauen nicht die ungefährlichsten Orte sind, möchte ich nicht streiten. Darüber, dass Frauenhäuser wichtig sind auch nicht. Aber Männerhäuser gibt es keine, denn Frauen schlagen ihre Männer nicht. Oder etwa doch? Laut Maus hat häusliche Gewalt „kein Geschlecht“, wobei er sich auf mehr als 246 Forschungsberichte bezieht.

Aber woher kommt das? Sind wir doch noch zu stark Gentlemen, so dass wir es den Frauen nachsehen? Sind wir nicht mehr Macho genug und ist die Emanzipation wirklich der „gerechte Lohn für die verweichlichte Männerschaft“[3]? Sind wir davon überrumpelt? Blind? Nehmen wir sie nicht ernst? Oder sind wir der Meinung, wir gestehen eine Schwäche ein, wenn wir davon sprechen, dass Männer in manchen bereichen benachteiligt werden? Haben wir Angst belächelt zu werden?

Ich denke, dass es am öffentlichen Bild liegt: Frauen werden in unserer Gesellschaft auf Händen getragen. Die Werbung, die Mode, der Lifestyle. Alles scheint irgendwie auf Frauen ausgerichtet zu sein. Frauen sind das Wunderbarste, das der Welt und den Männern passieren konnte. All das führt dazu, dass Frauenfeindlichkeit gesellschaftlich genauso geächtet wird, wie Judenhass und ähnliches. Das ist auch gut so. Aber wie ist es umgekehrt? Frauen dürfen ohne schief angesehen zu werden davon sprechen, dass Männer eine „genetische Fehlbildung“ seien, da das y-Chromosom lediglich ein „verkrüppeltes und degeneriertes“ x-Chromosom sei. Männer sind also „genetisch minderwertig“ – diese Bezeichnung kommt mir wenn auch für eine andere Gruppe, merkwürdig bekannt vor. Junge Frauen dürfen sich ohne Probleme Vorbilder wie Margaret Thatcher nehmen, welche einmal sagte: „If you want something said, ask a man; if you want something done, ask a woman.“ Bei allem Respekt für Ihre Leistungen, aber das ist irgendwie sehr verallgemeinernd, Miss Thatcher. Wenn ich nun öffentlich sagen würde, dass „Assi Tony“ mein Vorbild sei, würden alle lachen und davon ausgehen, dass ich das nicht ernst meine. Eine „feministische Partei – Die Frauen“ darf es geben. Eine „deutsche chauvinistische Partei“ wäre gesellschaftlich nicht tragbar. Und die Namenskorrektur der „Frauenbeauftragten“ zum „Gleichstellungsbeauftragten“ ist oft auch nur reine Kosmetik, denn in vielen Institutionen darf dieser/diese nur von Frauen gewählt werden und es werden somit nur deren Interessen vertreten.

Ich könnte wohl noch einige Beispiele geben, aber ich glaube es ist auch jetzt bereits einigermaßen rüber gekommen, was ich sagen will: Gleichberechtigung ja. Aber wenn, dann richtig und im genauen Sinne des Wortes.

In diesem Sinne: Danke, Dr. Eugen Maus, für das öffentliche Auftreten.

Der Michel



[1] http://www.manndat.de

[2] „Frauensaunatage“ wurde durch den Autor des Eintrages ergänzt

[3] Die Ärzte – Manchmal haben Frauen...

Sonntag, 14. März 2010

Ergänzende Klarstellung

Beim wiederholten Lesen meines Eintrags (10.03.2010) habe ich festgestellt, dass der letzte Teil trotz des Zusatzes doch äußerst falsch verstanden werden kann. Und obwohl ich im Moment eigentlich keine Zeit habe, den Blog zu pflegen, bin ich trotzdem der Meinung, dass es den Opfern nicht gerecht werden würde, wenn dies länger auf diese Weise und unkommentiert stehen bleiben würde.

Ich möchte nicht den Kindsmissbrauch mit dem Genuss von Alkohol gleichsetzten.

Kindsmissbrauch ist eine äußerst verabscheuungswürdige Tat und die einzige relevante, irdische Vergebung, die den Tätern zuteil werden kann, ist die der Opfer, denen diese verständlicherweise unmöglich scheint. Den Opfern gilt mein tiefstes Mitgefühl. Doch auch ich bin wegen einigen Dingen, die ans Licht kommen, zutiefst betroffen und verwirrt, weshalb mir dann die richtige Formulierung fehlen kann. Sollte ich irgendjemanden mit dieser Aussage verletzt oder verärgert haben, bitte ich vielmals um Vergebung.

Die Intention dieses letzten Abschnitts ist und bleibt die Bitte, das eigentliche Ziel der kath. Kirche nicht aus den Augen zu verlieren. Auch wenn Teile von ihr dabei gerade ziemlich zu versagen drohen.

Ich persönlich halte es für feige und falsch den entsprechenden Teil einfach still und heimlich zu streichen, da man ein gesprochenes Wort auch nicht einfach ungeschehen machen kann.

Der Michel

Mittwoch, 10. März 2010

Ihr Hirten, seht eure Schäfchen!

..., denn sie sind verstört. Immer mehr Missbrauchsfälle kommen ans Licht. Auch nachdem man meinen sollte, dass die große Welle langsam vorüber sein sollte. Und eine Frage wird immer lauter: Wie kann es sein, dass Priester – die ja scheinbar als heilig, unfehlbar und moralisch einwandfrei gelten – den einfachsten moralischen Grundsatz missachten: Kinder sind tabu.

Oder wurde diese Frage bereits beantwortet? Wir erinnern uns: Die Kirche nennt die Sexuelle Revolution der 68er den Schuldigen. Und der Rest freut sich darüber, den verhassten Zölibat mal wieder als Quell allen Übels bezeichnen zu können. Aber leben auch Schiedsrichter zölibatär? Oder haben die 68er die Legalisierung von Kinderpornos betrieben? Außerdem kann mir niemand erzählen, dass es erst nach den 68ern Übergriffe von Geistlichen auf Jugendliche und Kinder gab. Fakt ist, dass überall, wo Erwachsene einen ausgeprägten Umgang mit Kindern und Jugendlichen haben, die Gefahr besteht, dass dies durch einen Menschen mit derartigen Neigungen ausgenutzt wird. Sei es der Jugendleiter im Musikverein oder der Feuerwehr, der Lehrer oder der Leiter in der Jugendarbeit. Oder aber der Priester, der seine Ministranten zu sich zum DVD-Abend einlädt. Wichtig ist, dass wir keinen Generalverdacht postulieren, sondern darauf geachtet wird, dass die Kinder durch eine verantwortungsvolle Vergabe der Posten durch die Verantwortlichen (sowohl im Verein, als auch in der Kirche) geschützt werden.

Und da sind wir auch schon bei der zweiten Frage: Warum schickt die Kirche die Priester, nachdem ihnen (innerkirchlich) der Prozess gemacht wurde in eine neue Gemeinde und warnt dort niemanden? Antwort der Kirchengegner: Priestermangel und Priestermangel wegen Zölibat. Antwort der Kirche: Weil jeder eine neue Chance verdient und Vergebung ein Grundpfeiler der kirchlichen Moral ist. Stimmt. Natürlich: sobald du es in einem Dorf Einem sagst, kannst du es auch auf dem nächsten Fest durchs Mikrofon brüllen. Aber der Schutz der Kinder und der Vergebungsgedanke sollten doch zumindest gleichberechtigt sein, weshalb eine weitere Überprüfung des Priesters und die Hilfe mit seinen Neigungen zurecht zukommen wichtiger und sinnvoller wären, als ihn erneut in die Gefahr zu bringen rückfällig zu werden und dabei mit seinem Problem vollends alleine zu lassen.

Für diesen Eintrag gibt es zwei Anlässe: Der eine ist, dass mir mitgeteilt wurde, dass gegen einen mir bekannten Pater in Würzburg der Vorwurf des Sexuellen Missbrauchs erhoben wurde. Der Andere, dass die deutsche Bischofskonferenz gestern eine Erklärung zum weiteren rechtlichen Vorgehen veröffentlicht hat. Um diese kurz zusammenzufassen: Die staatliche Strafverfolgung soll unterstützt werden und die Priester werden zur Selbstanzeige aufgerufen. Dazu kommt das bereits existente, innerkirchliche Verfahren. Rechtlich sollte das reichen. Moralisch nicht. Aber es zeigt, dass die Kirche auf dem richtigen Weg ist. Auch wenn davon irgendwie die meisten nichts mitbekommen. Aber über die Medienwirksamkeit dieser Institution möchte ich gerade nicht sprechen.

Andererseits habe ich manchmal das Gefühl, dass es Vielen auch egal ist, was von der katholischen Kirche kommt. Wir haben wieder einen Grund mehr die Katholiken, den Zölibat und den Papst zu verdammen. Deshalb meine Bitte: Reduziert die Kirche nicht auf ihre Fehler. Denn ihre Mitglieder sind in der Regel nicht heilig, unfehlbar und moralisch einwandfrei. Auch wenn sie es manchmal gerne wären. Sie sind eben Menschen. Denkt auch daran, dass sie Hoffnung schenkt und versucht einen Weg zu leben aufzuzeigen und Leitung, Grenzen und Inhalt zu geben, was in der heutigen Welt oft fehlt. Leider halten sich da nicht alle Mitglieder dran. Ob Priester oder Gemeindemitglieder. Aber es trinkt auch nicht jeder Moslem keinen Alkohol und nicht jeder Jude heiligt den Sabbat (auch wenn der Vergleich in seiner Tragweite etwas hinkt).

In diesem Sinne: blökt lauter, damit der Hirte aus dem Wolf wieder einen friedlicher Schäferhund machen kann.

Der Michel

Montag, 1. Februar 2010

Schäubles Dilemma

„Tertium dubitandi genus est, cum pugnare videtur cum honesto id, quod videtur esse utile.“ (Cicero: De officiis I.9) [dt.: „Die dritte Art der Unschlüssigkeit liegt vor, wenn das in scheinbarem Widerspruch mit dem Ehrhaften steht, was nützlich zu sein scheint.“ (nach Heinz Gunermann)] Dieser Ausspruch Ciceros trifft wohl Schäubles Dilemma mit der SünderCD recht gut. Denn was soll er bitte tun? Ihm wird für 2,5 Millionen Euro eine CD angeboten, die dem Bund geschätzte 100 Millionen einspielen könnte, welche er dringend braucht. Man könnte sie z.B. in die Bildung investieren... Ach schade, die ist ja Ländersache... Wirtschaftsmathematisch ist diese Rechnung ein Kinderspiel. Aber der Preis für die CD lässt sich in Zahlen leider nicht genau berechnen – nicht einmal durch die nächste Wahl. Denn was hier auf dem Spiel steht ist deutlich mehr: Die Rechtschaffenheit und Glaubwürdigkeit der Regierung der Bundesrepublik Deutschland.

Bis jetzt gilt ja der Grundsatz: „Keine [offenen] Geschäfte mit Kriminellen.“ Und die Entstehung der CD scheint ja nicht besonders sauber zu sein. Andererseits verhöhnt er, kauft er die CD nicht, den braven Steuerzahler. Denn: wenn Steuersünder davonkommen, obwohl offensichtlich Beweise bestehen, sorgt das nicht dafür, dass ich mit Freuden höhere Steuern zahle als ich wohl müsste.

Aus diesem Grund sind auch die Politiker ziemlich uneins: Die FDP streitet sich untereinander – wen wundert’s bei einem solchen Thema und einer Partei, die aus Juristen und Wirtschaftlern besteht. Die CDU sagt (eher) „Nein“. Die Grünen und die SPD sagen, man solle sie auf jeden Fall kaufen und werfen Schäuble vor, er würde lediglich seine Wählerklientel schützen wollen (um es nett zu formulieren). Und die Linke schweigt dazu. Was? Die Linke schweigt? Die Partei, die sich durch laute Forderungen hervortut schweigt bei einem Thema, das klischeehaft gegen ihr liebstes Feindbild geht? Ein Schelm ist, wer Böses dabei denkt. Und was sagen eigentlich die Piraten dazu? Schließlich geht es hier doch auch um Datenhandel und Transparenz? Oder doch um Überwachung?

Für die Opposition ist es jedenfalls toll, wenn sich die Regierung die Finger schmutzig macht. Dann kann man sie wenigstens danach leichter absägen: „Ja natürlich haben wir gefordert, dass die CD gekauft werden solle, aber doch nicht auf diese illegale Weise...“ Sie kann ihre Stellung ja auch begründen. Nämlich damit, dass der BND 2008 ja schon mal so eine CD gekauft habe, was ja viel Gebracht habe. Unter anderem einen Nachahmer. Gut: Das war damals aber auch der Nachrichtendienst. Der ist schon eher dazu geeignet in der Grauzone zu agieren, als eine Bundesregierung. Auch wenn dieses agieren gefährlich ist: denn wo hört die Grauzone auf und wo beginnt die Willkür?

Soll Schäuble sie nun kaufen oder nicht? Ich halte es für mehr als fragwürdig ein Verbrechen durch ein anderes Verbrechen zu bekämpfen. Da sind wir sehr schnell bei der Rechtfertigung, dass alles einem größeren Nutzen diene. Andererseits gehen mir die Steuersünder auf die Nerven, die dafür Sorge tragen, dass dem Staat Geld entzogen wird, aber auf der Fahrt in die Schweiz meckern, dass die Infrastruktur schlecht sei und der Staat Schulden mache. Auch wenn ich mich zu keiner klaren Antwort durchringen kann, glaube ich, dass Herr Schäuble deutlich besser damit beraten wäre die CD nicht zu kaufen und auf legalem Wege nach Steuersündern zu fahnden, wie es auch sonst gemacht wurde.

In diesem Sinne: Steuern zahlen lohnt sich...

Der Michel

Donnerstag, 28. Januar 2010

Der Trend und die Katastrophe

Haiti liegt in Trümmern und man möchte helfen. Ich habe mir lange überlegt, welcher Organisation ich wie viel für Haiti spende. Und da ist mir das Projekt „Hope for Haiti Now“ ins Auge gefallen. Künstler, wie Jay-Z, Shakira, Neil Young, Alicia Keys, Stevie Wonder, (natürlich) Bono und viele andere, geben ein Benefizkonzert und bringen danach eine CD (6,99 €) mit den Livemitschnitten raus, deren Erlös dann wieder nach Haiti geht. Klasse Idee: Da hat dann jeder was von. Die Künstler ein bisschen Ruhm, der Spendende eine CD mit guten Liedern von oft großen Künstlern und Haiti jede Menge Geld. Die Sache wird auch noch dadurch durchsichtig, dass man nachlesen kann, was aus dem Erlös wohin geht. WOW. Ich hatte also meinen Spendenweg gefunden.

Dann habe ich mir die CD angehört. War ich wirklich so naiv? Das die Künstler die Lieder nicht geweint haben, bleibt ein Wunder. Man kann sich dazu die Bilder des Zerstörten Haiti, der Leichen und der weinenden Kinder als Hintergrundbemalung der Show nur zu gut vorstellen. Und irgendwie nehme ich so manchem der vertretenen Künstler nach dem überzogenen Kitsch ihre herzliche und reine Anteilnahme nicht mehr ab. Beyoncé: „Haiti, I can see your Halo“ <- war das nicht mal ein Liebeslied mit einer Aussage?

Plötzlich fühlte ich mich so an die Beerdigung von Michael Jackson erinnert. Genauer gesagt an die Szene, der man ja nicht entgehen konnte, in der seine Tochter in die Kamera weint und noch mal sagt, dass sie ihn liebt. Kein Zweifel: das war echt. Aber es zeigt das Geschäft mit der Katastrophe. Der Tod des Vaters ist eine persönliche Katastrophe – Haiti eine Naturkatastrophe. Beides ist für die Betroffenen furchtbar. Die Betroffenen brauchen in beiden Fällen Hilfe – keine Frage. Doch schon sind die Medien da und bauschen es noch mehr auf. Sorgen dafür, dass wir uns im Leid anderer suhlen können und wir das Gefühl bekommen, persönlich betroffen zu sein. Plötzlich waren Alle zeit ihres Lebens Michel Jackson Fans. Plötzlich lieben Alle das kleine Land Haiti, das vorher völlig an ihnen vorbeiging. Plötzlich wird allen ein schlechtes Gewissen gemacht, wenn sie nicht betroffen sind und spenden wollen oder sich engagieren. Und das Leid der restlichen Welt gerät in Vergessenheit.

Versteht mich nicht falsch: Ich halte es für wichtig, dass geholfen wird und die Medien auf Katastrophen und auf Leid aufmerksam machen. Und als Mensch und Christ sollte man Nächstenliebe, Solidarität und tätige Hilfsbereitschaft ernst nehmen. Aber das heißt nicht, dass man sich am Leid anderer ergötzen muss. Es ist ein schmaler Grad, den die Medien gehen sollten zwischen emotionsloser Information und wachrütteln und empfänglich machen für das Leid. Ich habe das Gefühl, dass manchen Medien nichts daran liegt auf diesem Weg zu bleiben

In diesem Sinne: Haltet die Augen offen!

Der Michel

Dienstag, 5. Januar 2010

Eine Frage der Glaubwürdigkeit

Es ist so weit. Die Nacktscanner heißen nicht mehr Nacktscanner, sondern Körperscanner. Das klingt nicht so hart und privat. Das klingt anonymer und irgendwie seriöser – also vertrauenswürdiger. Das klingt so, als könne man so etwas jetzt eher über sich ergehen lassen, ohne dass einem die Schamesröte ins Gesicht steigt. So dachten dann wohl auch die Verantwortlichen vom Flughafen Schiphol (Amsterdam), weshalb sie gleich mal 60 Stück orderten.

Verwunderlich ist das nicht. Amerika hatte ja den Wunsch geäußert, dass man solche Was-auch-immer-Scanner an europäischen Flughäfen aufstellen solle. Außerdem startete die Maschine nach Detroit, in welcher auch der Attentäter saß, eben von diesem Flughafen. Ein Schelm ist, wer dabei Zusammenhänge sieht.

Die Verantwortlichen versuchen natürlich jetzt ihre Kunden / Gäste zu beschwichtigen, denen jetzt ein starker Eingriff in ihre Intimsphäre blüht: Der Scanner zeige den Menschen jetzt nicht mehr nackt, sondern nur noch schemenhaft. Aber laut www.Zeit.de wahren auch diese Geräte nicht die Intimsphäre.

Aber jetzt mal ehrlich: Ich frage mich, warum der „Körperscanner“ in einer so exhibitionistischen Gesellschaft wie der unseren auf so große Gegenwehr stößt. Auf Twitter kann ich lesen, ob jemandem sein letzter One-Night-Stand gefallen hat und auf Youporn kann ich mir davon sogar ein Bild machen. Und wer hierfür „zu prüde“ ist, der muss mindestens ein Foto auf Facebook oder Studivz, etc. haben, auf dem er/sie möglichst leicht bekleidet oder möglichst besoffen und am besten beides ist. Auf „Big Brother“ und „Frauentausch“ möchte ich erst gar nicht zu sprechen kommen. Fakt ist, dass wir immer mehr unsere privatesten Bereiche vermarkten und an die Öffentlichkeit zerren. Aber der „Nacktscanner“ geht dann wohl zu weit?

Natürlich tut er das! Denn der große Unterschied ist, dass ich all das aus freien Stücken mache. Ich entscheide, ob ich ein Bild von mir ins Internet stelle, auf dem ich mir gerade noch einmal durch den Kopf gehen lassen, was ich auf der Party so zu mir genommen habe. Aber die Frage ist: bleibt meine Beschwerde über eine Maschine, die mich einer Person nackt zeigt, die an diesem Tag schon tausende auf die gleiche Weise gesehen hat, glaubwürdig, wenn ich mich selbst milliarden von Menschen freiwillig auf intimste Weise präsentiere?

In diesem Sinne: seht zu, dass ihr gut ausseht ;)

Der Michel